Ausgesuchte Fragen zum Einsatz von (Fremd-)Personal bei der Kampfmittelräumung

Autoren:

  • RA und Fachanwalt für Arbeitsrecht Thilo Ullrich, HYAZINTH LLP, Berlin
  • Helmut Pönisch, Güteschutzgemeinschaft Kampfmittelräumung Deutschland, Berlin
  • Hans Joachim Rosenwald, Güteschutzgemeinschaft Kampfmittelräumung Deutschland, Berlin

Bei der Kampfmittelräumung öffnet sich ein weites Feld zum Einsatz insbesondere von Fremdpersonal. Gerade bei der Beschäftigung des fachtechnischen Aufsichtspersonals wird oft und gerne auf externe Arbeitskräfte zurückgegriffen, nicht zuletzt wegen der hierfür erforderlichen Qualifikationen. Nicht jedes KMR-Unternehmen kann es sich leisten, hierfür stets eigenes Personal vorzuhalten, nicht jede qualifizierte Fachkraft will als Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Vor diesem Hintergrund stellen sich insbesondere folgende Fragen:

  • Wie kann ein KMR-Unternehmen (externes) fachtechnisches Aufsichtspersonal zur Auftragserbringung einsetzen?
  • Welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen hat das?
  • Welche Auswirkungen für die Haftung des KMR-Unternehmens und die eigene Haftpflichtversicherung ergeben sich?

1          Grundfall: Einsatz als Arbeitnehmer

Der Grundfall für eine Beschäftigung von fachtechnischem Aufsichtspersonal ist eine Beschäftigung als Arbeitnehmer. In diesem Fall geben sich keine Besonderheiten: Die betreffende Fachkraft ist auf Basis eines Arbeitsvertrags beim KMR-Unternehmen tätig und es müssen die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden.

Im Außenverhältnis haftet das KMR-Unternehmen gegenüber dem Kunden. Die Haftung der Fachkraft gegenüber dem Arbeitgeber im Innenverhältnis, also der etwaige Ersatz von Schäden durch den Arbeitnehmer, richtet sich nach der von der Rechtsprechung entwickelten dreigeteilten Haftungsdoktrin: Für vorsätzlich und grob fahrlässig verursachte Schäden haftet der Arbeitnehmer voll, für durch mittlere Fahrlässigkeit verursachte Schäden haften Arbeitgeber und Arbeitnehmer anteilig und im Fall nur durch leichte Fahrlässigkeit verursachte Schäden haftet der Arbeitgeber voll. Auch im Falle einer vollen Haftung des Arbeitnehmers ist jedoch zu beachten, dass die Rechtsprechung ggf. den Arbeitgeber anteilig mithaften lässt, wenn der Schaden außer Verhältnis zum Verdienst des Arbeitnehmers steht. Dieser Fall könnte gerade bei der Kampfmittelbeseitigung häufig eintreten.

2          Einsatz als Leiharbeitnehmer

Abgeleitet vom Grundfall wirft der Einsatz einer Fachkraft als Leiharbeitnehmer wenig Besonderheiten auf. Wichtig ist in diesem Fall lediglich, dass das KMR-Unternehmen als Entleiher darauf achtet, dass der Verleiher über eine ordnungsgemäße Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG verfügt, zwischen dem KMR-Unternehmen und dem Verleiher ein ordnungsgemäßer Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen wird, der den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. §§ 1 und 11 AÜG), und die Person des zu überlassenden Arbeitnehmers vor Überlassung konkretisiert wird. Ist dies der Fall, kann das KMR-Unternehmen die ausgeliehene Fachkraft wie einen Arbeitnehmer einsetzen.

Hierbei ist zu beachten, dass das KMR-Unternehmen dem Leiharbeitnehmer die in seinem Betrieb wesentlichen Arbeitsbedingungen gewährt (vgl. § 8 Absatz 1 Satz 1 AÜG), insbesondere die gleiche Vergütung, sogenannter „Equal-Pay“-Grundsatz, und den betreffenden Arbeitnehmer nicht länger als 18 Monate am Stück bei sich einsetzt (vgl. § 1 Absatz 1b AÜG). Die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge müssen in diesem Fall vom Verleiher, der Vertragsarbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist und bleibt, abgeführt werden.

Für die Haftung ergeben sich keine wesentlichen Änderungen zum Grundfall. Im Innenverhältnis kann jedoch der Verleiher gegenüber dem Unternehmen haften, z. B. wenn die Fachkraft nicht sorgfältig ausgesucht worden ist. Es empfiehlt sich daher, den Umfang der Haftpflichtversicherung des Verleihunternehmens zu erkunden.

HINWEIS: Wenn das KMR-Unternehmen von einem anderen Unternehmen deren Geschäftsführer ausleiht, ist das AÜG nicht anwendbar, weil dieses nur die Überlassung von Arbeitnehmern regelt. Fachkräfte, die eine eigene Gesellschaft betreiben, können sich also als deren Geschäftsführer – ohne die Fesseln des AÜG beachten zu müssen -, an andere Unternehmen verleihen. Die Fachkraft darf das eigene Unternehmen selbstredend nicht nur dafür benutzen, das AÜG zu umgehen oder eine etwaige Sozialversicherungspflicht zu vermeiden. Das ist im Einzelfall zu prüfen und bei der rechtlichen Gestaltung zu berücksichtigen.

3          Einsatz als Freiberufler/Selbstständiger

Von den vorgenannten Gestaltungen ist der Einsatz einer Fachkraft als Freiberufler/Selbstständiger abzugrenzen. Während in den Fällen 1 und 2 die Fachkraft jeweils in die Arbeitsorganisation des KMR-Unternehmens eingegliedert wird, darf dies bei einem Einsatz eines Freiberuflers/Selbstständigen gerade nicht der Fall sein. Ansonsten liegt ein Fall der sogenannten „Schein-Selbstständigkeit“ und somit ein (faktisches) Arbeitsverhältnis vor. Dies hätte zur Folge, dass das KMR-Unternehmen als Arbeitgeber für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge haftet und auch vom Finanzamt in Anspruch genommen werden kann, wenn der Freiberufler/Selbstständige die auf die gezahlten Honorare fällige Einkommenssteuer nicht ordnungsgemäß abgeführt hat. Zwar ist ein Regress bei dem Freiberufler/Selbstständigen denkbar. In der Praxis bleiben viele Arbeitgeber aber auf den zusätzlichen Kosten bei Vorliegen einer Schein-Selbstständigkeit sitzen, zumal § 28g Satz 3 SGB IV die Abzugsmöglichkeiten für den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung zu Lasten des Arbeitgebers (also bei falscher Gestaltung des KMR-Unternehmens) stark begrenzt. Hinzu kommt, dass die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen als Straftat nach § 266a StGB gewertet werden kann und der Geschäftsführer des Arbeitgebers persönlich für ausstehende Zahlungen haften kann, also nicht nur das KMR-Unternehmen. Daher sind solche Konstellationen tunlichst zu vermeiden.

Das ist gerade im Bereich der Kampfmittelräumung im Lichte der Vorschriften des Sprengstoffgesetzes (SprengG) mitunter schwierig. So bestimmt etwa § 19 Absatz 1 Nr. 2 SprengG, dass verantwortliche Person in diesem Sinne die mit der „Leitung des Betriebes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbstständigen Zweigstelle beauftragten Personen“ sein können. Solche sind aber als Leitung der Arbeitsorganisation jeweils in diese (ggf. als Spitze) eingebunden und damit klassischer Weise Arbeitnehmer. Das gilt ebenso für die nach § 19 Absatz 1 Nr. 3 SprengG bestimmten Aufsichtspersonen, die ebenfalls Leitungsfunktionen ausüben und damit ganz regelmäßig unselbstständig tätige Führungskräfte sind. Auch der Gesetzgeber hat bei Abfassung des SprengG festgestellt, dass es sich bei den Aufsichtspersonen „in der Regel“ um Arbeitnehmer handelt. Dies gilt auch für die technischen Aufsichtspersonen. Der Einsatz von externen Fachkräften (Freiberufler/Selbstständige) als verantwortliche Personen nach § 19 SprengG scheidet danach eher aus. Ein Einsatz von solchen Externen kommt daher u. E. nur in anderen Bereichen in Betracht bzw. nicht in den Fällen, in denen der Freiberufler/Selbstständige (auch) als Aufsichtsperson o. Ä. agieren soll. Hiergegen ließe sich zwar einwenden, dass es, wie sich aus § 8 Absatz 1 Satz 2 SprengG ergibt, grundsätzlich möglich sein muss, dass die Leitung von Betrieben sowie die Leitung von Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen auseinanderfallen können.

Dies gilt aber nach der Konzeption des SprengG nicht für die hierfür bestimmte (technische) Aufsichtsperson wie sich auch aus § 19.2.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Sprengstoffgesetz (SprengVwV) ergib, die explizit bestimmt, dass die Aufsichtspersonen „unselbstständige“ mittlere und untere Führungskräfte des jeweiligen Betriebs sind. Damit kann sich das KMR-Unternehmen dieser Wertung auch nicht etwa dadurch entziehen, dass darauf verwiesen wird, bei der Bestellung handele es sich nur um einen innerbetrieblichen Vorgang. Im Ergebnis muss eine technische Aufsichtsperson existieren, die nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig unselbstständig, also letztlich vom KMR-Unternehmen abhängig sein soll.

Soweit ein Freiberufler/Selbstständiger (rechtmäßig) eingesetzt werden kann, haftet er dem KMR-Unternehmen gegenüber voll für sämtliches eigenes Verschulden. Im Außenverhältnis haftet indes nach wie vor das KMR-Unternehmen gegenüber dem Kunden. Ein Regress bei dem Selbstständigen/Freiberufler ist nur dann erfolgversprechend, wenn dieser hinreichend versichert ist.

HINWEIS: Daher ist bei dem (rechtmäßigen) Einsatz von Freiberuflern/Selbstständigen insbesondere zu prüfen, ob diese über einen angemessenen Versicherungsschutz verfügen. Gerade bei dem Einsatz eines „freien Feuerwerkers“, soweit dies nach der Konzeption des Gesetzes überhaupt zulässig ist, bzw. wenn im Falle eines Schadenseintritts der Schaden beträchtlich sein kann; selbst wenn der Schadenseintritt höchst unwahrscheinlich sein mag.

Andernfalls kann die Durchsetzung eines etwaigen Regress-Anspruchs des KMR-Unternehmens an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Freiberuflers/Selbstständigen scheitern. Letztlich sollte bei Einsatz jedweder Dritten der Umfang von deren Haftpflichtversicherung besonders geprüft werden.

Ferner empfiehlt es sich, mit der eigenen Haftpflichtversicherung abzuklären, inwieweit das Handeln von Dritten bei der Auftragserbringung, z. B. als Subunternehmer o. Ä., vom Versicherungsschutz des KMR-Unternehmens umfasst ist. Ggf. übernimmt die eigene Versicherung bereits Schäden bei Einsatz von Fremdkräften, sodass die Frage eines möglichen Regresses im Haftungsfall vor allem das Thema der Versicherungsgesellschaft ist.

4          Einsatz als Nachunternehmer

Entsprechend den vorhergehenden Ausführungen kann auch ein Nachunternehmer nicht als Aufsichtsperson von einem KMR-Unternehmen bestimmt werden. Denkbar ist beim Einsatz eines Nachunternehmers lediglich, dass dieser klar abgrenzbare Teile des (Haupt-)Auftrags übernimmt, z. B. selbstständige Beräumung einer bestimmten Teilfläche, soweit er die hierfür jeweils notwendige Erlaubnis und/oder den erforderlichen Befähigungsschein selbst besitzt.

Bei einem Einsatz von Nachunternehmen für klar abgrenzbare Auftragsteile ist dann insbesondere darauf zu achten, dass keine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung entsteht. Dafür muss ein klar abgegrenzter Auftrag des KMR-Unternehmens bestehen, in dessen Rahmen der Nachunternehmer eigenverantwortlich und selbstbestimmt eigenes Personal einsetzt. Dieses darf nicht in die Arbeitsorganisation des KMR-Unternehmens eingebunden werden. In der Praxis schleichen sich leider nicht selten Arbeitsabläufe ein, die eine Einbindung des Personals des Nachunternehmers in die Arbeitsorganisation des KMR-Unternehmens nahelegen, z. B. wenn dieses unmittelbar vor Ort Anweisungen von Mitarbeitern des KMR-Unternehmens erhält oder zur Erfüllung von (gemeinsamen) adhoc-Arbeiten herangezogen wird. Um dies zu verhindern, müssen Kommunikationsstrukturen zwischen KMR-Unternehmen und Nachunternehmer aufgebaut werden, die sicherstellen, dass auftragsrelevante Weisungen nicht als Weisungen im Rahmen eines klassischen Arbeitsverhältnisses gedeutet werden können. Zum einen bedarf es hierfür einer klaren vertraglichen Regelung. Zum anderen muss der Vertrag auch so gelebt werden wie er vereinbart wurde. Denn letztlich ist die tatsächliche Vertragsdurchführung für die Einordnung des Vertragsverhältnisses entscheidend.

Für die Haftung ergeben sich keine Abweichungen zu der Situation bei Freiberuflern/Selbstständigen, insbesondere also auch zum Umfang des Schutzes durch eine Versicherung.

HINWEIS: Der (Unter-)Auftrag mit einem Nachunternehmer muss hinsichtlich der Aufgaben des Nachunternehmers sorgfältig gestaltet werden, damit ersichtlich keine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Ferner muss der Vertrag so gelebt werden wie dies vereinbart wurde. Andernfalls könnten sowohl Nachunternehmer als auch KMR-Unternehmer eine Ordnungswidrigkeit begehen, die mit einem Bußgeld von bis zu EUR 30.000,00 im Einzelfall geahndet werden kann. Aufgrund der Änderungen im AÜG zum 1. April 2017 reicht es nicht (mehr), wenn der Nachunternehmer über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt. Schon bei Vertragsschluss muss nunmehr ausdrücklich klargestellt werden, ob eine echte Arbeitnehmerüberlassung angestrebt oder ein Dienst-/Werkvertrag geschlossen wird.

5          Fazit

Der Einsatz von Fachkräften bei der Kampfmittelräumung, insbesondere im Rahmen einer Vereinbarung als Nachunternehmer oder als Selbstständiger, bedarf einer guten rechtlichen Betreuung und einer ordnungsgemäßen Umsetzung in der täglichen Arbeit. Bei einem Einsatz von Selbstständigen ist hierbei insbesondere das Risiko einer sogenannten Schein-Selbstständigkeit für das KMR-Unternehmen relevant, weil dieses im Ergebnis den Sozialversicherungsträgern gegenüber für etwaig nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge haftet und Regress bei dem Schein-Selbstständigen aus wirtschaftlichen Gründen häufig nicht zu nehmen sein wird.

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