Die Engelsburg in Rom

Titel: Die Engelsburg in Rom
Autor: Dr. Lothar Schimmelpfennig
Inhalt: Der Artikel handelt von der Engelsburg (italienisch Castel Sant’Angelo oder Mausoleo di Adriano). Sie ist aufgrund ihrer wechselvollen Geschichte eines der interessantesten Denkmäler der Stadt Rom. Sie hat in den unterschiedlichen historischen Epochen oft eine zentrale Rolle gespielt und somit ist ihr Geschick unmittelbar mit dem der Stadt verbunden.
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Die Engelsburg in Rom

Dieses phantastische Bauwerk ist vielen – nicht nur katholischen Christen – als Refugium der Päpste und als Mausoleum der römischen Kaiser bekannt. Richtig bewusst ist den meisten jedoch nicht, dass sie auch als sehr starke Zitadelle mit einer sehr klugen baulichen Auslegung und einer enormen Feuerkraft fungierte. Dies dürfte den Feuerwerker und Artilleristen interessieren.

Die Engelsburg (italienisch Castel Sant’Angelo oder Mausoleo di Adriano) ist aufgrund ihrer wechselvollen Geschichte eines der interessantesten Denkmäler der Stadt Rom. Sie hat in den unterschiedlichen historischen Epochen oft eine zentrale Rolle gespielt und somit ist ihr Geschick unmittelbar mit dem der Stadt verbunden.

Die Engelsburg, eine Festung in RomDie Engelsburg, eine Festung in Rom

Geschichte

Der Bau wurde noch zu Lebzeiten Kaiser Hadrians (76 – 138) im Jahr 125 unter der Leitung des Architekten Demetrianus begonnen. Die eigentliche Vollendung des Bauwerks erfolgte erst im Jahr 193 unter Septimus Severus. Vorausgegangen war der Bau der heutigen Engelsbrücke als Pons Aelius Hadrianus im Jahre 133. Die Engelsburg war als Mausoleum für den Kaiser und seiner Nachfolger gedacht. Bis 217 nutzte das Geschlecht der Antoniner es als Begräbnisstätte. Die Asche der Kaiser, nicht die Körper, wurden dort aufbewahrt.

„Caesareos cineres quae moles clauserat olim, arx est Romano nunc sacra pontifici.“

Einst war die Asche der Kaiser verwahrt in diesem Gebäude – Dies ist die heilige Burg nun für den Bischof von Rom.

Das Grabmal war in der Spätantike unter dem Namen Hadrianeum bekannt. Heute wird die Bezeichnung Hadrianeum für den Tempel des Hadrian an der Piazza di Pietra verwendet.
Im Mausoleum wurden u. a. beigesetzt:

  • Kaiser Hadrian und seine Frau Sabina
  • Kaiser Marc Aurel
  • Kaiser Septimus Severus, der Gründer von Leptis Magna in Tripolitanien
  • Kaiser Marcus Aurelius Antonius Bassianus, genannt Caracalla

Das Grabmal hatte die Form eines flachen Zylinders (64 m Durchmesser, 20 m hoch) aus Peperin (Vulkangestein) und opus caementium (römischer Beton), bedeckt mit römischem Travertin, einem Kalkstein aus Tivoli. Dieser Zylinder wurde der auf einem mit Marmor verkleideten Sockel (89 m Seitenlänge, 15 m Höhe) errichtet. Die Oberseite des Zylinders war als Garten mit Zypressen gestaltet. In der Mitte stand ein kleiner runder Tempel. An der Spitze stand eine Quadriga, die Hadrian als Sonnengott zeigte. Es gibt aber auch Rekonstruktionen, die von einem hohen Kegel als Stein statt Garten und Tempel ausgehen.

In der Mitte des Mausoleums befand sich die Grabkammer, über der folgende von ihm verfasste Inschrift angebracht war:

ANIMULA VAGULA BLANDULA
HOSPES COMESQUE CORPORIS
QUAE NUNC ABIBIS IN LOCA
PALLIDULA RIGIDA NUDULA
NEC UT SOLES DABIS IOCOS

Kleine Seele, schweifende, zärtliche
Gast und Gefährtin des Leibs,
Die du nun entschwinden wirst dahin,
Wo es bleich ist, starr und bloß,
Und nicht wie gewohnt mehr scherzen wirst …

Als die Stadtmauer unter Kaiser Aurelian (die Aurelianische Mauer) vom Magister militum (Heermeister) Stilicho verstärkt wurde, integrierte man das solide gebaute Mausoleum als Zitadelle in die Befestigungen der Stadt. So wurde die Engelsburg, auch wegen ihrer günstigen Lage, zur stärksten Festung Roms. Im 6. Jahrhundert erkannte ebenso Gotenkönig Totila die Bedeutung der Burg zur Kontrolle der Stadt. Über zehn Jahrhunderte wurden militärische Um- und Erweiterungsbauten vorgenommen. Den Schlusspunkt bildeten die Arbeiten des Festungsbaumeisters Nicoló Lamberti unter Bonifatius IX. (1389 – 1404). Die strategische Lage der Engelsburg am damals nördlichen Ende Roms garantierte die Kontrolle des Zugangs aus dieser Richtung in die Stadt.

Im Früh- und Hochmittelalter stritten sich die einflussreichen römischen Familien um den Besitz der Burg. Nach Rückkehr des Papsthofes aus Avignon gelangte sie in den Besitz der Kirche.

1277 veranlasste Papst Nikolaus III., die Burg mit dem Vatikan durch einen unterirdischen Gang zu verbinden. In bedrohlichen Zeiten suchten die Päpste immer wieder Schutz in der Engelsburg.

Im 15. Jahrhundert wurde die Engelsburg zur Festung umgebaut und bekam ihre heutige Grundform einer „Kriegsmaschine“. Alexander VI. errichtete die vier Eckbastionen mit den Namen der Evangelisten. In Form von Standern wurde Matthäus als geflügelter Mensch (=Merkur), Markus als geflügelter Löwe (= Mars), ebenso Lukas als Stier (Jupiter) und Johannes als Adler (= Saturn) dargestellt. Diese Stander, jeweils mehrere kleine und große, konnten angehoben, gesenkt, geschwenkt und geneigt werden. Sie stellten mit weiteren Wimpeln und Fahnen das „Fernmeldenetz“ der Festung dar. Es existierte tatsächlich eine zentrale Feuerleitung. Ein solches System kannte nutzte man bis ins 19. Jahrhundert als Winkertelegraph. Hinzu kam ein neuer Wachturm sowie ein vom Tiber gespeister Wassergraben.

Ab 1561 wurde durch Festungsbaumeister Francesco Laparelli eine fünfeckige Mauer mit weiteren Bastionen um die Engelsburg errichtet. Im 17. Jahrhundert wurde der runde Wachturm abgerissen und eine zweite Verteidigungsmauer zwischen den beiden vorderen nördlichen Bastionen eingezogen. Diese Bautechnik zur Erweiterung von Festungsanlagen wurde später von Sébastien le Prestre de Vauban (1633 – 1707), dem genialen Architekten und Feuerwerker des französischen Sonnenkönigs Louis XIV. übernommen.

 80 Vierzigpfünder auf der Engelsburg80 Vierzigpfünder auf der Engelsburg

In dieser Zeit gab Papst Urban VIII. (1568 – 1644), bürgerlich Maffeo Barberini, das Kolosseum als Steinbruch frei und ließ die Bronzedecke des Portikus im Pantheon einschmelzen. Zweck: Erweiterungs- und Verstärkungsbau der Engelsburg sowie das Giessen von 80 (achtzig!) 40-Pfünder-Kanonen (Kaliber 19,1 cm) für diese Festung. So viel zur „himmlischen Sicherheit“! Noch heute geht das lateinische Sprichwort um: „Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini“ = „Was die Barbaren nicht schafften, schafften die Barberini“.

gut erkennbar die Bastionengut erkennbar: die Bastionen

Die Kampfbeladung dieser Kanonen betrug 250 Schuß pro Gruppe, was einen Munitionsvorrat von 20.000 Schuß ausmacht. Da lagerte also ein hübsches Pulverfaß in der Festung. Neben dem damals üblichen Arsenal von Mörsern, schweren Langwaffen etc. gehörten auch Leonardo da Vincis Orgelgeschütze und mehrschüssige Armbrüste dazu. Ebenso waren leichte 30 – 40 mm-Kaliber-Kanonen vorhanden, die über Schwarzpulver- Stangenmagazine verfügten, also auch mehrschüssig waren. Sie waren beweglich auf zwei Rädern gelagert. Da Vincis Orgelgeschütz kann man auch in der Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz bestaunen. Wie groß die militärische Besatzung der Festung war, lässt sich nur vermuten. Die Vorratskammern für Getreide, Öl etc. waren sehr groß. Wasser aus dem Tiber war reichlich vorhanden. Ein Besuch des Waffenmuseums in der Engelsburg lohnt sich.

Da Vinci OrgelgeschützDa Vinci: Orgelgeschütz

Zugleich richteten die Päpste, begonnen von Alexander VI., prächtig ausgestattete Wohnungen ein, wobei die Sala Paolina aus dem 16. Jahrhundert zum schönsten Papstgemach zählt, das heute noch zu besichtigen ist. Sixtus V. richtete die Schatzkammer ein, in der sich auch ein Teil des Geheimarchivs befand.

eine Waffenkammer in der Engelsburgeine Waffenkammer in der Engelsburg

Die Engelsburg diente in späteren Jahren auch als Gefängnis der Inquisition. Die praktisch ausgestattete Folterkammer zeugt noch heute davon. Giordano Bruno (der auf dem Campi di Fiori / Blumenfeld verbrannt wurde), Galileo Galilei und Alessandro Cagliostro waren berühmte Gefangene der Engelsburg. 1561 wurde hier Kardinal Carlo Carafa durch Erdrosseln hingerichtet.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts vernachlässigten die Päpste den Ort, bis die Burg im 19. Jahrhundert von den Soldaten der französischen Republik beschlagnahmt wurde. Im Jahre 1870 ging die Befestigung in den Besitz des italienischen Staates über und diente als Festung und Gefängnis. Die Säle wurden zum Teil als Museum eingerichtet und die Burg dem Publikum zugänglich gemacht. Ab 1901 wurde das Gebäude nicht mehr als Burg verwendet. Seit dem 13. Februar 1906 ist die Engelsburg ein Museum. Im 20. Jahrhundert wurde sie restauriert.

Fluchtburg und Gefängnis der Päpste, Belagerungen

525 Belagerung durch Papst Bonifatius VII.
998 Belagerung durch Kaiser Otto III.
1084 Belagerung durch Kaiser Heinrich IV.
1379 Belagerung durch die Franzosen und Gegenpapst Clemens VII.
1527 Belagerung durch Kaiser Karl V., Sacco di Roma = Plünderung Roms
1799 Belagerung durch die Neapolitaner
1811 Belagerung durch Napoleon

Keine dieser Belagerungen führte zur Eroberung oder Zerstörung der Engelsburg. Ab dem 10. Jahrhundert war die Engelsburg im Besitz der Päpste und diente als Zufluchtsort bei Gefahr. .
Der 1277 unter Papst Nikolaus III. erbaute etwa 800 m lange Gang Passetto di Borgo oder Corridoio di Borgo ist ein oberirdischer, in die Mauer integrierter Verbindungsgang zum Palazzo Vaticano in der Vatikanstadt. Während der großen Plünderung Roms (der „Sacco di Roma“) durch die Truppen von Kaiser Karl V. im Jahr 1527 diente er Papst Clemens VII. als Fluchtweg vor den Soldaten des Kaisers. Danach verschanzte er sich für einen Monat in der Burg. Ebenso floh Pius VII. vor Napoleon Bonaparte.

Herkunft des Namens

Den heutigen Namen erhielt die Anlage im Jahr 590, als in Rom die Pest wütete. Papst Gregor I. soll über dem Grabmal die Erscheinung des Erzengels Michael gesehen haben, der ihm das Ende der Pest verkündete, indem er das Schwert des göttlichen Zorns in die Scheide steckte. Da die Pest wirklich zu Ende ging, erinnert heute noch die Statue des Engels auf der Spitze des Gebäudes an diese Episode. Dort oben stand von 577 bis 1753 ein von Guglielmo della Porta geschaffener Engel aus Marmor, der heute im Innenhof, dem Cortile dell’Angelo, zu sehen ist. Dieser wurde dann durch die heutige, von Peter Anton von Verschaffelt entworfene Figur ersetzt. Außerdem wurde dem Erzengel eine um 610 von Papst Bonifatius IV. eingebaute Kapelle gewidmet.

Engelsbrücke / Ponte Sant’Angelo

Die Engelsbrücke gilt als die schönste der antiken Brücken Roms. Hadrian ließ sie als Zugang über den Tiber zu seinem Mausoleum im Jahre 136 bauen. Die drei mittleren Arkaden sind noch originalgetreu erhalten. Die Statuen der Apostel Paulus und Petrus am Eingang der Brücke wurden von Papst Clemens VII. Mitte des 16. Jahrhunderts in Auftrag gegeben. Die zehn Engelsfiguren, die die Leidenswerkzeuge Christ tragen, wurden von dem erst 17- jährigen Gian Lorenzo Bernini (1598 – 1660) im Auftrag Clemes IX. entworfen und von seinen Schülern 1660 bis 1667 als Skulpturen fertiggestellt.

Diese Figuren sollten den militärischen Charakter der Burg abschwächen.

Architektur und Innenausstattung

Insgesamt lässt sich das Bauwerk in seiner heutigen Gestalt in fünf Ebenen einteilen. Von der untersten Ebene führt eine 122 m lange Rampe spiralförmig aufwärts. In der zweiten Ebene gibt es das Gefängnis incl. Folterkammer und Lagerräume für Weizen und Öl. Die dritte Etage ist die militärische mit zwei Innenhöfen. Vom Cortile dell’Angelo aus gelangt man in die päpstlichen Gemächer und ins Museum. Die wichtigste Ebene ist die vierte. Hier findet man die Papstwohnung, eine Raumfolge mit manieristischen Fresken von Perino del Vaga, Giulio Romano und anderen Künstlern aus der Schule Raffaels sowie die Säle Pauls III., Clemes VII., Clemes VIII. und Leo X. Auch die Loggien von Giuliano da Sangallo und Donato Bramante sowie die Sala del Tresore (Schatzkammer) befinden sich hier. Ganz oben kommt man auf die Terrasse, wo neben dem Bronzeengel die sogenannte Armesünderglocke (Campana della Misericordia) zu sehen ist, die an die Vergänglichkeit des Schönen und die Grausamkeit der Welt erinnert.

Im Museo (Museo di Castel Sant’Angelo) werden auch seit 1901 in 58 Sälen neben der Geschichte des Bauwerks auch Waffen, Möbel und Gebrauchsgegenstände gezeigt.

Bemerkenswertes

  • In der Oper Tosca von Puccini begeht die Protagonistin Selbstmord, indem sie sich von der Engelsburg stürzt, was dem Bauwerk im frühen 20. Jahrhundert zu neuer Bekanntheit verhalf.
  • Im Roman Illuminati von Dan Brown traf sich die Geheimgesellschaft der Illuminaten und versteckte sich auch der Attentäter in der Engelsburg.
  • Die Engelsburg gilt heute noch als Vorfestungsburg des Vatikans.

Literaturhinweise

  • Heinz-Joachim Fischer: „Rom. Zweieinhalb Jahrtausende“, DuMont, Köln
  • Anton Henze: „Kunstführer Rom“, Reclam, Stuttgart
  • Tina Squadrilli: „Castel Sant’Angelo – una storia lunga diciannove secoli“, Newton &Crompton, Rom

Die Engelsburg im 17. JahrhundertDie Engelsburg im 17. Jahrhundert

Nachwort

Als ich dieses Bauwerk vor einiger Zeit sehr gründlich besichtigte, überkam mich das Grausen.

Die päpstlichen Gemache waren mit erotischen Zeichnungen von Amor und Psyche verziert. Der Luxus war unerhört. In den Folterkammern verreckten die unbequemen Freidenker. Die bösesten Intrigen wurden gesponnen. Die Verknüpfung von weltlicher und „himmlischer“ Macht drückt sich nach meinem Empfinden in keinem anderen Bauwerk dieser Welt so gewalttätig aus. Über 1.500 Jahre war diese Burg ein Instrument einer Macht, die sich durch unvorstellbare Pracht und einer Perversion des Denkens auf Gottes Wille und Gnaden beruft.

Dr. Lothar Schimmelpfennig
im Juni 2012

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